Umarmt ihr eure Eltern?

[Tabeo]

Umarmt ihr eure Eltern?
Ich nämlich nicht. Ich fühle mich dabei unwohl, deshalb lasse ich es, auch wenn sie mich gerne umarmen möchten.
Wie ist das bei euch?

[Reinhard]

Nein.

In meinem Umfeld sind Umarmungen generell unüblich.

[Automobilist]

Nein.

Die Urnen werden nicht ausgegraben.

[Tania]

Ja, definitiv.

[Cavia]

Natürlich!!!!!

Mein Vater ist da zurückhaltender, was seiner Nachkriegserziehung zugeschrieben werden kann.

Ich begrüße aber auch alle Freunde mit einer kurzen Umarmung. So macht man das in Deutschland doch - eine schöne Sitte.

[Vogel]

Nein- ich habe nur einziges Mal meinen Vater umarmt und das war nachdem meine Mutter verstarb. Dafür meine Tante, Onkel, Cousinen.... Jetzt wo ich es schreibe, finde ich den Unterschied irgendwie seltsam

Männliche Kumpels umarme ich nicht, meine früheren Kommilitonninen aus dem Studium dagegen schon.

[Obelix]

Ja, klar.

[Tabeo]

Nein.

Die Urnen werden nicht ausgegraben.

Und zu Lebzeiten?

[sonderbärchen]

Ja, klar.
Nur meinen Vater nicht ganz so lange, weil er im Gesicht stachelig war.

[Automobilist]

Und zu Lebzeiten?

Ebenfalls : nein. Zum einen habe ich meinen Vater nur wenige Male gesehen; zum letzten Male, so meine ich, 1970. Schon " Guten Tag " zu sagen - bedeutete eine Überwindung.

Meine Mutter ebenfalls nicht - meine Oma schon, aber nur sehr selten. Es war einfach nicht Usus bei uns.

Auch meine Urgroßeltern nicht. ( Wobei ich meine Urgroßeltern sehr geschätzt habe ! )

[Egil]

Ich begrüße aber auch alle Freunde mit einer kurzen Umarmung. So macht man das in Deutschland doch - eine schöne Sitte.

Wirklich? Mir kommt das eher wie etwas importiertes vor Dass mal irgendwann eine Mitschülerin beim Jahrgangstreffen (5-jähriges Abi-Jubiläum?) meinte, mich umarmen zu müssen, war ein heftiger Schock.

Wahrscheinlich habe ich meine Mutter beim Tod meiner Oma umarmt, aber da erinnere ich mich nicht genau. Würde ich zu sonstigen Gelegenheiten auf die Idee kommen, würde sie wohl fragen: "Was ist denn jetzt kaputt?"

Meinen Vater liegt, wie beim Autobilisten, nun auch schon ein paar Jahre in eher staubigem Aggregatzustand vor, und selbst vor seinem Dahinscheiden hatte ich deutlich zu wenig Beziehung zu ihm, um auf derartige Ideen auch nur zu kommen.

[Daisy_Chain]

Ja sehr gerne solange es noch möglich war.
Aber ich bin grundsätzlich ein Umarmungs-Mensch

[NeC]

Als Kind, Jugendlicher und junger Erwachsener gab es in meinem Umfeld keinerlei Umarmungen. Auch meine Eltern untereinander nicht. Sie waren ein gutes Team und haben sich sehr geachtet und geschätzt, aber wie ein Liebespaar haben sie nicht gewirkt. Entsprechend körperlich distanziert war ich selber auch, und offenbar hat sich mein Freundes- und Bekanntenkreis damals daran angepasst. Ich kann mich z.B. an gemeinsame Silvesterparties erinnern, wo sich um Mitternacht durchaus auch querbeet umarmt wurde, aber ich (und noch ein paar andere zurückhaltende Single-Jungs) haben dabei nur zugesehen. Was mir damals aber auch recht war - jemanden zu Umarmen kam nur selten vor und hat sich für mich immer seltsam unpassend angefühlt.

Erst mit etwa 30 fing ich an, mich ernsthaft aktiv um eine Partnerin zu bemühen, und begann auch damit, bei gegenseitiger Sympathie meine Datepartnerinnen zu umarmen - und das war schön! Anfang 30 hatte ich das Glück eine Partnerin zu finden, und spätestens da wurden Umarmungen auf angenehme Weise normal.

Leider hat die Beziehung nicht gehalten, aber Umarmungen sind heute noch schön und ein Ausdruck engerer Verbundenheit für mich. Mein Vater ist früh gestorben, aber meine Mutter fing erst in ihren späten Jahren an, mich und meine Geschwister zu Begrüßung und Abschied zu umarmen.

Mein Vater ist da zurückhaltender, was seiner Nachkriegserziehung zugeschrieben werden kann.

Kannst Du erläutern, warum das typisch für eine Nachkriegserziehung ist? (Es passt zwar auch zu meinen Erfahrungen, ich hatte aber auch gleichalterige Kumpels, deren Eltern da weniger zurückhaltend waren. Daher bin ich nicht sicher, ob die Zurückhaltung allgemein typisch oder nur in meiner Blase so war)

Ich begrüße aber auch alle Freunde mit einer kurzen Umarmung. So macht man das in Deutschland doch - eine schöne Sitte.

Wirklich? Mir kommt das eher wie etwas importiertes vor

Als Begrüßungsritual kommt mir das auch eher wie eine neuzeitliche Entwicklung vor, die ich aber auch sehr mag! . Vielleicht auch importiert - aber als Ursprung kämen dann viele Länder in Frage: Frankreich, Italien, Spanien, Türkei, Ostblock, Lateinamerika, ... . Aus den USA kennt man es aus Film- und Fernsehproduktionen, aber da bin ich nicht sicher, ob es da wirklich auch schon länger gelebte Praxis ist.

[LoverInTraining]

Lange nicht, erst jetzt als Erwachsener wieder.

In meiner Kindheit und Jugend war bei uns lange Zeit sehr wenig Körperkontakt an der Tagesordnung. Warum oder wann das angefangen hat weiß ich nicht, als Kleinkind muss es noch etwas anders gewesen sein.

Entsprechend war ich dann selbst auch überhaupt nicht an Umarmungen gewöhnt, wenn es mal auf Initiative des Gegenübers zu einer gekommen ist. Und in meinem überwiegend männlichen Freundeskreis war das auch nicht üblich.

Aber im Laufe der Jahre haben mich dann eben doch ein paar Leute, meist Frauen, die eher so wie Cavia drauf waren, angefixt. Und ich hab festgestellt: Umarmungen tun gut und ich wünsche mir mehr davon in meinem Leben.

Als ich es dann schon einigermaßen gewohnt war, zumindest manche Freunde und Bekannte zu umarmen, kam es mir komisch vor, dass ich das mit meiner Mutter trotz unserer guten Beziehung nicht tat. (Mein Vater war da schon verstorben.) Also hab ich einfach damit angefangen. Inzwischen umarmen wir uns wieder ganz selbstverständlich.

[Serendipity]

Mein Vater ist da zurückhaltender, was seiner Nachkriegserziehung zugeschrieben werden kann.

Kannst Du erläutern, warum das typisch für eine Nachkriegserziehung ist? (Es passt zwar auch zu meinen Erfahrungen, ich hatte aber auch gleichalterige Kumpels, deren Eltern da weniger zurückhaltend waren. Daher bin ich nicht sicher, ob die Zurückhaltung allgemein typisch oder nur in meiner Blase so war)

Ich bin zwar nicht Cavia, möchte es dennoch versuchen, da dieses Verhalten und damit auch auf meine Erfahrungen mit meinen Eltern ebenfalls zutrifft.
Meine Therapeutin hat mir erläutert, dass Erwachsene, die während ihrer frühen Kindheit in einer existenzbedrohenden Mangelgesellschaft aufgewachsen sind oft selbst keine Erfahrungen mit liebevollen körperlichen Zuwendungen gemacht haben, weil deren Eltern einfach viel mehr damit zu tun hatten dafür zu sorgen das Überleben als solches zu sichern. Diese Kinder haben also gelernt, dass körperliche Zuwendungen nicht so wichtig sind, sondern vielmehr die Versorgung mit ausreichend Nahrung und einem sicheren (Wohn-)Umfeld. Also geben sie diese Erfahrung bzw. dieses gelernte Wissen oft als Erwachsene/Eltern weiter bzw. leben es ebenfalls so.

Meine Eltern (Jahrgang 1942 & 1946) sind/ waren genauso. Erst seit ich mit meiner Therapie begonnen hattte und dieses "kühle" Verhalten meiner Eltern mir gegenüber eben auch Thema war und ich mit ihnen darüber gesprochen habe, sind sie etwas aufgetaut. Jetzt gibt es gelegentlich auch Umarmungen.

[Settembrini]

Serendipity hat da über meinem Post eine fundierte Stellungnahme verfasst.
Meine Mutter als auch mein Vater waren beide älter als ihre Eltern. Beide haben den Krieg noch im vollen Bewusstsein miterlebt. Insbesondere meine Mutter hat in späteren Jahren schonungslos mir ihre Beobachtungen und Gefühle dazu beschrieben. Man ahnt kaum, was die Menschen in jenen Zeiten sowohl in den Städten als auch auf Flüchtlingstrecks durchmachen mussten. Keine Dokumentationsreihe kann diese Greul auch nur annähernd vermitteln.

Natürlich gab es damals keine Psychologen zur Behebung von Traumata. Nahezu jeder Mensch dürfte irgendwie davon betroffen gewesen sein.

In meiner näheren und weitläufigen Familie waren Umarmungen ein sehr kostbares Gut. Man schüttelte sich zur Begrüßung die Hand und lächelte sich an. Umarmungen hingegen waren bereits im intimeren Bereich angelegt.
Das änderte sich erst ein wenig, als bedingt durch die späteren italienische Bekanntschaften sich die Begrüßungsriten entsprechend änderten.

[Egil]

Mein Vater ist da zurückhaltender, was seiner Nachkriegserziehung zugeschrieben werden kann.

Kannst Du erläutern, warum das typisch für eine Nachkriegserziehung ist? (Es passt zwar auch zu meinen Erfahrungen, ich hatte aber auch gleichalterige Kumpels, deren Eltern da weniger zurückhaltend waren. Daher bin ich nicht sicher, ob die Zurückhaltung allgemein typisch oder nur in meiner Blase so war)

Ich bin zwar nicht Cavia, möchte es dennoch versuchen, da dieses Verhalten und damit auch auf meine Erfahrungen mit meinen Eltern ebenfalls zutrifft.
Meine Therapeutin hat mir erläutert, dass Erwachsene, die während ihrer frühen Kindheit in einer existenzbedrohenden Mangelgesellschaft aufgewachsen sind oft selbst keine Erfahrungen mit liebevollen körperlichen Zuwendungen gemacht haben, weil deren Eltern einfach viel mehr damit zu tun hatten dafür zu sorgen das Überleben als solches zu sichern. Diese Kinder haben also gelernt, dass körperliche Zuwendungen nicht so wichtig sind, sondern vielmehr die Versorgung mit ausreichend Nahrung und einem sicheren (Wohn-)Umfeld. Also geben sie diese Erfahrung bzw. dieses gelernte Wissen oft als Erwachsene/Eltern weiter bzw. leben es ebenfalls so.

Ich glaube, da muss man nicht den Krieg als Erklärung heranziehen (obwohl die Erfahrungen sicher auch manches noch einmal schlimmer machen können; Traumata können sich vererben, das ist bekannt und nachgewiesen; ich kenne da auch ein Beispiel, wo man annehmen kann, dass die Vertreibungserfahrung der ostpreußischen Großmutter noch die gescheiterten Leben der Enkelkinder beeinflusst haben dürfte). Das war früher einfach so, dass man distanzierter war. Körperliche Berührungen (etwa Umarmungen zwischen Mann und Frau) dürften da schnell als anrüchig gegolten haben.

[Levyn]

Ne, meine Eltern umarme ich nicht. Fühlt sich weird an.

Freundinnen bzw. Bekannte umarme ich immer bei der Begrüßung und Verabschiedung. Finde ich aber recht normal.

Ich finde es ja auch irgendwie interessant, dass hier User von denen ich vermute, dass sie ein Problem mit Nähe haben, auch angeben, dass sie ihre Eltern nicht umarmen, gerade den Vater.

[Rantanplan]

Beobachte den Umgang miteinander in der Familie und Du lernst eine Menge darüber, warum jemand so ist wie er ist.
Das Thema Umarmungen/Nähe hat eine Menge damit zu tun. Ich selbst bin es aus meiner gesamten Familie/Verwandschaft gewohnt, sich herzlich zu umarmen und das pägt auch meinen eigenen Umgang damit. Bei meinem Mann genau das Gegenteil: selbst die Mutter schüttelt ihm nur die Hand zum Geburtstag etc. Er hat wesentlich größere Probleme insgesamt mit solchen Sachen als ich.

[Undomiel]

Definitiv. Wobei das bei meinem Vater auch nicht immer der Fall war. Zu Teenagerzeiten hab ich ihn nicht umarmt.