Ich war damals der einzige, dem Sport, gelinde gesagt, überhaupt nicht lag.
Um es einmal zu illustrieren: Von drei Ausnahmen abgesehen hatte ich – trotz Anwesenheit und Teilnahme – im Sport immer eine Sechs. „Teilnahme“ muß dabei relativiert werden mit „so gut ich konnte“, und in den meisten Fällen konnte ich exakt überhaupt nicht. Meine Sportnoten waren so mies, daß sie meine Versetzung zu gefährden drohten.
Ein konkretes Beispiel war in der gymnasialen Unterstufe der 800-m-Lauf auf der Aschebahn des angrenzenden Sportplatzes. Alle außer mir schafften die Strecke in etwas mehr als vier Minuten und waren dann warmgelaufen, was auch deckungsgleich mit der Erwartung des Sportlehrers war. Ich brauchte fast sieben Minuten und war danach zu absolut nichts mehr zu gebrauchen; ein Umstand, der im Weltbild des Sportlehrers überhaupt nicht existierte und auf den er folglich auch keine Rücksicht nahm.
Ein Amtsarzt in der Landeshauptstadt – anderthalb Autostunden pro Richtung vom Elternhaus – untersuchte mich schließlich und befreite mich per Attest vom Schulsportunterricht. Voraussetzung war allerdings Ersatz, also entweder Schwimmen oder Krankengymnastik. Bei ersterem scheiterte ich ebenso kläglich wie im Sportunterricht. Ich war zum Tauchen gänzlich unfähig. Vom Beckenrand springen konnte ich auch nicht, weil ich mir nicht realistisch die Geschicklichkeit zutraute, aus eigener Kraft wieder aufzutauchen. Selbst das Seepferdchen-Abzeichen (für „Ossis“: Die Abfolge im Westen war damals Seepferdchen – Freischwimmer – Fahrtenschwimmer – Leistungsschwimmer) war für mich in unerreichbarer Ferne. Also blieb nur die Krankengymnastik.
Es dürfte nicht lange vorher gewesen sein, daß ich bei den Bundesjugendspielen, einer Pflichtveranstaltung für die gesamte Schülerschaft, ähnlich kläglich versagte. Für die Siegerurkunde brauchte man 5000 Punkte; die Siegerurkunde hatten fast alle. Die allermeisten, die keine Siegerurkunde hatten, hatten eine Ehrenurkunde, für die es 6000 Punkte brauchte. Ich schaffte es auf 112 Punkte.
Fast ein Wunder, daß ein paar Jahre später aus mir in einer ADTV-Tanzschule ein passabler Tänzer wurde. Aber da hat mich meine Musikalität gerettet, und als Sport erachte ich Tanzen erst ab Turniertanz.