Das kennenlernen meiner Frau fand in einer schwierigen Phase statt. Ich hatte meine erste Depression und das Studium seit einem Semester unterbrochen. Zwar hatte ich das größte Tief überwunden und befand mich auf dem Weg der Besserung, war einigermaßen stabilisiert, aber die Sache war keineswegs überstanden. Das gute, ich hatte einen Plan. Ich hatte eine psychosomatische Reha beantragt, und diese wollte ich als Übergang zum Ausziehen aus dem Elternhaus nutzen, weil das war das Problem, was mir endlich auch bewusst war. Mein Vater versprach mir eine Wohnung zu suchen bis nach der Reha. Das ganze Thema AB, Dating etc. hatte ich bewusst zurückgestellt, weil ich erst gesund werden wollte, und auch gar nicht die Kraft dafür hatte. Das waren die sehr ungünstigen Rahmenbedingungen unseres Kennenlernens. Zu beachten ist auch, dass ich hoch sensibel war zu der Zeit. Ich weiß auch noch vieles, weil ich damals Tagebuch geführt hatte, und die betreffenden fünf Tage, in denen alles ablief, nehmen 33 Seiten sein! Sonst war ein Tag ein halbe bis drei Seiten.
Es war mitten im Sommer. Um eine Tagesstruktur zu haben, hatte ich mich zu einem sog. Schnupperkurs (Discofox) in einer Tanzschule angemeldet, der eine Woche ging, von montags bis freitags, jeweils eine Stunde abends. Ich sprach sie an, weil ich sie so sympathisch und attraktiv fand. Eine Hürde war es nicht, weil es mir um ein kennenlernen ja nicht ging. Ich wollte nur eine Tanzpartnerin und wenn es eine hübsche Frau war, umso besser, wenn sie ablehnt, auch gut. Denn eigentlich wollte ich den Tag in meiner Antriebslosigkeit und Schwere nur über die Bühne bringen.
Während des Tanzens lächelten wir immer wieder zueinander und freuten uns, dass wir so gut harmonierten und es war eine Atmosphäre/Vertrautheit zwischen uns. Nach dem Tanzen bedankte ich mich bei ihr und sagte, „es war schön mit dir zu tanzen, es hat mir Spaß gemacht, vielleicht können wir es wiederholen“. Ich hatte mit dieser Aussage gar nichts bewusst bezwecken wollen, sondern machte es einfach nur so. Allein aufgrund dieser lapidaren Aussage freute sie sich so sehr, dass wohl so etwas wie der „Funke“ bei ihr eintrat, was ich aber erst viel später erfuhr. Sie sagt heute, dass sie es so schön fand, wie ich meine Gefühle ihr gegenüber geäußert habe, und dass ich das ja nicht hätte machen müssen… sie sah es als etwas nicht selbstverständliches. Den Tag habe ich auf meiner Skala im Bereich durchschnittlich bewertet. Ich hatte so eine siebenstufige Skala zur Tagesbewertung von „sehr schlecht“ bis „sehr gut“.
Der Schnupperkurs war übrigens nicht so stark strukturiert wie ein normaler Tanzkurs. Jeder sollte sich einfach einen Partner aussuchen, und man musste nicht sich erst getrennt nach Geschlechtern aufstellen. Ich weiß noch, wie am zweiten Tag in den Raum kam und sofort nach ihr suchte. Als ich sie fand, stellte ich mich schon vor Beginn des Tanzens einfach neben sie. Sie nahm mich wahr und lächelte mich kurz an. Aber wir sagten nichts, und warteten bis es losging. Fiel mir das schwer? Hab ich im Tagebuch leider nichts gefunden. Es war sicherlich schon etwas mehr als am Vortag, als ich einfach irgendeine Tanzpartnerin suchte. Das gute war sicherlich, dass ich selbst in der Depression immer den Ansatz verfolgte, einfach zu machen/zu handeln, ohne jetzt viel nachzudenken, wobei das aber gerade beim BEWUSSTEN Dating nicht zutraf. Da war ich oft blockiert. Das tanzen war schön und am Ende stand sie ganz erwartungsvoll vor mir als wollte sie mich gar nicht vorbeilassen. Ich sah ihr an, dass sie wieder irgendetwas (hören) wollte, dass es schön mit ihr war. Wir lachten und umarmten uns. Es tat soooo guuuut wie sie mich drückte. Wir führten den ersten smalltalk. Den Tag hatte ich mit „ sehr gut“ bewertet. Am nächsten Tag setzte sich das fort. Sie zu berühren und zu führen war schön. Am vierten Tag kam ich durch die blöde Bahn leider zu spät und wir mussten mit anderen tanzen. Doch nach dem Kurs gingen wir in ein Café. Wer die Initiative dazu ergriff, weiß ich nicht mehr. Wir unterhielten uns und es wollte gar nicht enden. Es ging weit über smalltalk hinaus. Ich glaube drei viertel der Zeit redete außerdem ich , aber nur weil sie sich so für mich interessierte. Heute sagt sie, dass sie so fasziniert war, was ich mit 23 j. alles wusste, worüber ich mir Gedanken machte und wie ich mich ausdrücken konnte. Ich wäre damals schon so „reif“ gewesen, und sie hätte sich intellektuell weniger „reif“ gefühlt, was sie anziehend fand!!! Sie sagte immer wieder während ich redete „das habe ich so noch gar nicht gesehen…“. Sie ist übrigens drei Jahre älter als ich und hatte zwei Beziehungen hinter sich. Emotional war sie mir daher weit voraus.
Als wir uns verabschiedeten umarmten wir uns und ich gab ihr ohne nachzudenken einen Kuss auf die Wange und fragte dann etwas erschrocken, ob das in Ordnung war. Sie freute sich, und sie wollte eigentlich mehr, das sah ich an ihrem Lächeln, und sie berührte mich auch am Arm. Es war nicht dass ich es nicht verstand, aber ich war dazu irgendwie nicht bereit, wie eine Blockade, denn allmählich dämmerte mir, was hier geschah…. auf dem Heimweg bekam ich Angst! Starke Angst! Was passierte nur, ich war wohl dabei mich zu verlieben, aber ich war noch in der Depression, vor einer Reha und dann noch das AB Thema. Es taten sich riesige Berge von Problemen auf. „Das MUSS doch alles vorher geklärt sein“, steht im Tagebuch immer wieder. Wie konnte das ausgerechnet jetzt passieren. Ich hatte damals noch den Ansatz immer alles im Griff haben zu müssen, vor allem meine Gefühle, was ich meine ganze Jugend hindurch versucht hatte. Die nächste Nacht war unruhig. Am nächsten Morgen sah ich auf meinem Handy eine sms von ihr, dass sie sich auf heute Abend freut. Aber mir machte das mehr Angst, und ich wäre am liebsten zuhause geblieben und hätte mich in mein Bett verkrochen. Doch ich fuhr hin, mit dem Argument, dass ich meine Tagesstruktur brauche. Im Tanzkurs merkte sie, dass etwas nicht stimmte, und fragte mich warum ich heute so schlecht aussehe.
Wir gingen auf ihre Initiative noch spazieren. Sie wollte reden und ich wollte es auch loswerden, weil es so ein Druck in mir war. Ich war auf eine Abfuhr eingestellt, aber war mir auch nicht sicher, was mir lieber war. Als wir auf einer Bank saßen, gestand ich ihr, dass ich dabei war mich in sie zu verlieben. Sie sagte freudestrahlend, dass sie auch so empfand. Ich dagegen war mehr von Angst geprägt und an den ersten Kuss war gar nicht zu denken. Sie merkte das natürlich. Ich „gestand“ ihr, dass ich noch keine Sex- und Beziehungserfahrung hatte, was mir mit meinen Minderwertigkeitsgefühlen sehr schwer fiel, aber mir blieb keine Wahl. Dann sagte sie auf mein „Geständnis“ hin ganz selbstbewusst: „das macht nix, ich hab ja Erfahrung!!!“ Ich fiel fast vom Stuhl, ja aus allen Wolken. Das werde ich nie vergessen. Es brach von einem Moment auf den anderen mein starres Weltbild zu Liebe und Sex und vor allem zu Männlichkeit(!) zusammen. Ich wusste gar nicht was ich sagen soll.
Dann fing sie auch noch an zu erzählen was sie alles an Erfahrungen hatte, aber auch worauf es ihr ankommt und was ihr wichtig ist. Ich kam mir vor wie in einem Film, aber merkte allmählich was hier lief. Sie war sich so (selbst-)sicher, mit mir zusammenkommen zu wollen, dass sie mich quasi „beruhigen“ wollte, weil sie mein Geständnis gar nicht als „Geständnis eines Makels“ wahrgenommen hatte. Sie dachte, dass ich lediglich Angst hätte, dass eine Beziehung mangels meiner Erfahrung nicht klappen würde, und sie mir vermittelte, dass das nicht „schlimm“ ist - das sagte sie auch - denn sie: „ich hab ja Erfahrung“. Ich fühlte mich richtig angenommen, wie noch nie in meinem Leben. Und sie erzählte auch etwas, was mir das Geständnis Reha/Depression erleichterte, worauf ich aber nicht weiter eingehen möchte. Und ihre Reaktion war auch hier außergewöhnlich, denn sie sagte, dass sie es „gut“ findet, dass ich die Reha mache und „das wird dir sicher guttun“. Das muss man sich mal vorstellen. Alle Anspannung fiel von mir ab. Erst dann war ich bereit für den ersten Kuss. Wir lagen uns in den Armen. Es war hochemotional. Mir kamen sogar die Tränen, was außergewöhnlich für die Zeit meiner Depression war. Und sie hielt mich so fest. Eine Situation, die sich viele Jahre später wiederholen sollte.
Wir redeten noch viel bis es dunkel war. Vieles war und blieb ungeklärt, wo ich immer gedacht hatte, das muss doch vorher alles klar sein. Unsere Gefühle füreinander waren dem Verstand einfach weit voraus, und vor allem durch sie als treibende Kraft war es eine Situation, geprägt von Optimismus, Mut, Toleranz, Empathie, Vertrautheit, einfach allem was man unter Liebe subsumieren kann. Ich sag immer, dass wir an diesem Abend mehr eingingen, als nur eine Beziehung. Es war eine Überzeugung und ein Versprechen!!! Und all das in fünf Tagen! Aber es war auch, dass manche meiner Grundeinstellungen „erschüttert“ wurden , was mir so richtig erst in der Reha bewusst wurde. So gesehen, hatte es zeitlich sogar gepasst…
Und so wie ich es hier aus meiner(!) Perspektive erzähle, in meinem Tagebuch geschrieben habe, klingt es als ob fast alles auf ihre Stärke hin geschah. Sie sagt immer, dass dem gar nicht so war, ich auch viel auf sie eingegangen bin, und sie auch nur bei mir so mutig und offen sein konnte. Sie ist selbst sehr sensibel. Das besondere war diese Vertrautheit von Beginn an. Vieles wo man sonst über gezielte Signale redet, lief einfach unbewusst ab.
Die folgenden Wochen war ich richtig beflügelt. Drei Monate später trat ich die Reha an, die war nicht einfach, und die Jahre nach der Reha waren es ebenfalls nicht, denn ich befand mich mitten in einem Veränderungsprozess und war noch viel mit mir selbst beschäftigt. Auch wohnte ich noch 2,5 Jahre alleine, weil es sehr wichtig war für mein problematisches Erwachsenwerden. Wir telefonierten täglich und verbrachten die Wochenenden miteinander. Aber für all das brachte sie Verständnis auf. Sie sagt immer, dass sie mit mir einen Neuanfang wollte, nach zwei gescheiterten Beziehungen, und eine Vertrautheit zwischen uns bestand, auf die wir bauten,…..bis heute…und in Zukunft…
Schon lange her, damals war ich 16 geworden und auf dem Weg zum Hallenbad. Er kam mit zwei Getränkekisten beladen aus dem Getränkemarkt. Wir hatten plötzlich Blickkontakt und lächelten uns an, ich sagte irgendwas wegen der zwei Kisten, die er schleppte. Er verstand nicht, weil er Französisch sprach, aber es ergab sich ein kurzer Austausch. Wir verabredeten uns zum Billard spielen am gleichen Tag. Ich ging nach dem Schwimmen hin, wir hatten einen lustigen Nachmittag und gingen dann zu ihm und seinem Bruder sowie dessen Freundin zum Essen (naiv wie man halt im dem Alter noch ist und einfach mal mit wem nach Hause geht...). Wir trafen uns eine ganze Zeit lang, er war ein super Küsser und ich erinnere mich noch heute gerne daran.
Man könnte sagen "Es hat sich so ergeben". Wir haben uns kennengelernt, jede Woche getroffen. Er hat mich von Anfang an fasziniert - das erste Mal, dass ich einen Mann interessant fand. Wir haben uns gut verstanden, wir mochten uns. Ich war Mitte 30 und habe gedacht "entweder ihn oder du bleibst immer Single". Er war Mitte 40 und hat sich gedacht "Entweder sie oder du bleibst immer Single/Jungfrau".
Aber im Grunde hat keiner von uns im anderen den Traumpartner gesehen.
Ich bin wenige Tage, nachdem ich mich hier angemeldet hatte, auf einer OD-Plattform auf eine in zahlreichen relevanten Dingen unheimlich relatable Frau aus Südostasien gestoßen, die sich massiv von den übrigen Profilen aus der Region abhob. Eine anfängliche Fernbeziehung konnte ich mir zwar gut vorstellen, aber ans andere Ende der Welt dachte ich dabei eigentlich nicht. Da auf ihrem sehr ausführlichen Profil wirklich alles Relevante gepasst hat, habe ich sie dennoch angeschrieben und wir haben sehr schnell noch viel mehr Gemeinsamkeiten entdeckt, als es aus den Profilen ohnehin offensichtlich war, und nach den ersten stundenlangen Video-Calls schnell eine gegenseitige Anziehung verspürt.
Wir betrachten uns seit etwa 5 Monaten als Paar, verbringen einen Großteil unserer Zeit (virtuell) miteinander und haben vor einigen Wochen einen tollen Urlaub zusammen verbracht, was zum Jahreswechsel wiederholt wird. Also joa, bzgl. Online-Dating war ich eigentlich grundsätzlich relativ zuversichtlich (war aber auch nur 2-3 Monate aktiv), aber damit hätte ich nicht gerechnet
Sie versteht sich ebenso wie ich als demisexuell und hatte mit 26 erst eine vorherige, schon einige Jahre zurückliegende (ebenfalls Fern-)Beziehung. Tatsächlich wäre daher mein damaliger HC-AB-Status auch überhaupt kein Problem gewesen, bzw. sie hätte es vielleicht gegenüber den wenigen, lange zurückliegenden Erfahrungen, die ich auf Basis vergangener Schwärmereien vorgegeben habe, sogar bevorzugt. Dafür, damit offensiv umzugehen, fehlte mir allerdings die Selbstsicherheit. Ist inzwischen aber auch egal.
Also ja, Hindernisse bzw. Komplikationen - naja, bis auf 10.000 km Entfernung überraschend wenige. Aber die können letztlich auch überwunden werden. Und gerade was Intimitäten angeht, war es vielleicht gar nicht so schlecht, sich notgedrungen erstmal virtuell heranzutasten.